Lisa-Maria Hasenhindl, klinische Psychologin und NÖN-Mitarbeiterin.  |  privat

Tipps zur Arbeit in Zeiten der Krise Lisa-Maria Hasenhindl ist NÖN-Mitarbeiterin, hauptberuflich aber klinische Psychologin. Sie gibt wertvolle Tipps ihres Berufsverbandes (BÖP) an die NÖN-Leser weiter.

Der Großteil der österreichischen Bevölkerung soll nach Möglichkeit im Home Office arbeiten. Währenddessen sind zehntausende Menschen gefragt, die gesellschaftlichen Funktionen der Gesundheit, der Sicherheit und des wirtschaftlichen oder sozialen Wohlergehens der Bevölkerung an ihren regulären Arbeitsplätzen aufrecht zu erhalten. Diese leisten in Zeiten der Krise wie bisher für Unglaubliches!  

All jene, die derzeit nicht von zu Hause aus arbeiten können, sind in dieser Extremsituation vermehrt mit Belastungen, beispielsweise ungeduldigen oder aggressiven Kunden oder auch eigenen Ängsten, konfrontiert.

Umso wichtiger ist es, all jene Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur zu unterstützen, mit diesen Belastungen besser umgehen zu können. Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) empfiehlt auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie dazu Folgendes:

Entlastende Maßnahmen für Mitarbeiter

1. Führen Sie alle Anweisungen zu Ihrem körperlichen Schutz aus!

Folgen Sie allen offiziellen Empfehlungen, um das Risiko einer Infektion möglichst gering zu halten und halten Sie alle zusätzlichen Sicherheitsregeln ein, die Sie von Ihren Vorgesetzten bekommen haben. Aktiv für Sicherheit zu sorgen, zeigt Ihnen auch, dass Sie die Situation beeinflussen können und selbst einen Beitrag leisten können.

2. Holen Sie sich sachliche und seriöse Information!

Gute Information ist wichtig, um Sicherheit und Orientierung zu gewinnen. Das bedeutet: Vertrauen Sie nur seriösen Quellen, wie z.B. den offiziellen TV-Kanälen. Lassen Sie sich nicht durch unklare Nachrichten aus dem Internet verunsichern und auch nicht durch Kollegen, die Ihnen über solche Nachrichten berichten. Holen Sie sich Informationen dosiert.

3. Machen Sie aus großer Unsicherheit kleine Sicherheiten!

So eine Situation hat noch niemand von uns erlebt und natürlich macht das ratlos, unsicher und ängstlich. Wenn eine Situation neu ist, gibt es kein Patentrezept. Aber es hilft darauf zu vertrauen, dass die politischen und fachlichen Entscheidungsträger in Österreich Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung planen und dazu laufend informieren.

4. Übersehen Sie das Positive nicht!

Auch wenn vielleicht manche Menschen oder Situationen im Augenblick sehr angespannt sind, sehen Sie auch das halb volle Glas: Sie tun sich selbst etwas Gutes, wenn Sie neben Unsicherheit und Sorge auch wahrnehmen, dass es in dieser Zeit auch positive Situationen gibt. Das kann z.B. der bessere Zusammenhalt sein.

5. Behalten Sie Routinen bei!

Besonders in schwierigen Situationen helfen Routinen, Sicherheit und Halt zu geben. Erhalten Sie so viele Routinen wie möglich aufrecht. Dazu gehört es auch, einen normalen Tagesablauf mit Arbeitsbeginn, Pausen, Arbeitsende und übliche Abläufe beizubehalten.

6. Kommen Sie von Problemen zu Lösungen!

Vielleicht treten in Ihrem aktuellen Arbeitsalltag Probleme auf, beispielweise ungeduldige oder aggressive Kunden, Patienten, erhöhter Zeitdruck, der Ausfall von Kollegen.

Suchen Sie im Team und auch mit Ihren Führungskräften nach Unterstützung.

7. Überfordern Sie sich nicht!

Für die Bevölkerung ist Ihr Einsatz essenziell und von unschätzbarem Wert. Trotzdem müssen und dürfen Sie sich nicht überfordern, sondern Sie sollen auch Ihre Unsicherheiten, Ängste und Sorgen wahrnehmen. Sprechen Sie mit hilfreichen Kollegen, Bezugspersonen oder Vertrauenspersonen in Ihrem Unternehmen darüber und tauschen Sie sich aus. Informieren Sie Ihre Führungskraft, wenn Sie an die Grenzen Ihrer Möglichkeiten kommen. Holen Sie sich, wenn nötig, professionelle Hilfe, z. B. bei Hotlines oder Klinischen Psychologen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf www.psychologiehilft.at.

Maßnahmen, die Führungskräfte für ihre Mitarbeiter setzen können

1. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Team die Schutzmaßnahmen einhalten kann!

Geben Sie Ihren Mitarbeitern die Information, die erforderlichen Mittel und die notwendige Zeit, um die empfohlenen Schutzmaßnahmen umsetzen zu können. Stellen Sie sich hinter Ihre Mitarbeiter, wenn es bei Kunden/Patienten/Bürgern manchmal am nötigen Verständnis fehlt.

2. Seien Sie Stütze und Ansprechperson!

Sie sind als Führungskraft doppelt gefordert. Einerseits erleben Sie dieselbe schwierige Situation wie derzeit alle in Österreich.

Andererseits müssen Sie sich darum kümmern, dass der Normalbetrieb weiterläuft und Sie müssen zusätzlich mit den Sorgen und Schwierigkeiten Ihres Teams umgehen. Sie können keine Wunder wirken, aber etwas können Sie sicher tun: Haben Sie ein offenes Ohr, nehmen Sie Anliegen ernst, fragen Sie nach Lösungsideen, setzen Sie machbare Verbesserungen um, suchen Sie

auch Unterstützung auf der nächsten Führungsebene.

3. Sorgen Sie für eine entlastende Arbeitsorganisation Ihre MitarbeiterInnen!

Schützen Sie Risikogruppen, wie beispielsweise ältere Mitarbeiter, indem Sie diesen ermöglichen, den direkten Kontakt mit Kunden zu vermeiden und andere Tätigkeiten zu übernehmen. Erlauben Sie Tätigkeitswechsel, damit einseitige Belastungen möglichst minimiert werden. Unterstützen Sie eine gute Pausenorganisation Ihres Teams. Manchmal hilft es schon, fünf Minuten zwischendurch durchzuatmen, um sich wieder etwas zu fangen und zu regenerieren.

4. Helfen Sie beim Umgang mit schwierigen Kunden/Patienten/Bürgern!

Klären Sie mit Ihrem Team, wie bei unfreundlichen oder ungeduldigen Anfragen höflich und sachlich reagiert werden kann.

Manchmal hilft es, den Mitarbeitern zwei oder drei Standardsätze zu empfehlen. Klären Sie auch, was man sich nicht mehr gefallen lassen muss und wann Ihre Mitarbeiter Ihre Hilfe in Anspruch nehmen können.

5. Stellen Sie Supervision/psychologische Beratung für Ihre Mitarbeiter zur Verfügung!

Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern Unterstützung durch Fachexperten. Stellen Sie ihnen Supervision und psychologische Beratung zur Verfügung. Sie leisten damit einen wichtigen und großen Beitrag zur psychischen Gesundheit Ihrer Mitarbeiter.

Weitere Informationen und Kontaktdaten dazu finden Sie auf www.psychologiehilft.at.

Anlaufstellen für psychologische Hilfe

1. Bei Problemen in Unternehmen und Organisationen

Qualifizierte und erfahrene Arbeits- und Organisationspsychologen unterstützen dabei, psychische Fehlbelastungen zu vermeiden, wenn es um Probleme in Unternehmen und Organisationen geht, die viele Beschäftigte betreffen. Die besonderen Herausforderungen der COVID-19-Krise erzeugen neue Fehlbelastungen, die ebenso neue Lösungen benötigen. Weitere Informationen und Fachexperten finden Sie auf www.psychnet.at.

2. Bei persönlichen Problemen der Mitarbeiter und Führungskräfte

Wenn es um persönliche Sorgen und Anliegen von Einzelpersonen geht, gibt es verschiedene Möglichkeiten, Hilfe anzubieten. Tauschen Sie sich mit Bezugspersonen im Unternehmen oder Gleichgesinnten aus, wenn Sie an die Grenzen Ihrer Möglichkeiten kommen. Holen Sie sich, wenn nötig, professionelle Hilfe.