Matt Kelly über Festivals in Europa und Vorbildwirkung

NÖN
Matt Kelly, Schlagzeuger der amerikanischen Band Dropkick Murphys, sprach mit Anita Kiefer und Teresa Sturm über Festivals in Europa und Vorbildwirkung.

NÖN: Ihr spielt seit mehr als zwanzig Jahren auf Festivals. Kannst du einen Unterschied zwischen den amerikanischen Festivals und jenen in Europa festmachen?

Matt Kelly: Oh ja! Ich finde, dass die Leute auf europäischen Festivals relaxter sind und es ihnen egal ist, ob sie lächerlich aussehen, wenn sie Spaß haben. In Amerika sind, denke ich, alle ein bisschen verklemmter. Die Festivals in Europa sind außerdem besser organisiert als in den USA. Ich mag sie sehr viel mehr hier in Europa.

NÖN: Wenn ihr auf der Bühne Musik macht, habt ihr das Publikum gut im Blick. Was war das Verrückteste, das du je bei einem Festival gesehen hast?

Kelly: Ich spiele Schlagzeug, also sitze ich und es ist oft schwierig für mich alles zu sehen. Aber einmal mussten wir unsere Show stoppen, weil ein junger Mann und eine Frau direkt vor der Bühne ihre Beziehung pflegten (lacht). Ich dachte, wir müssten kaltes Wasser über sie gießen. Das war sehr verrückt.

NÖN: Ihr haltet eure Meinung zu gesellschaftspolitischen Themen nicht zurück, vor allem was Drogenkonsum betrifft. Wie wichtig ist es, sich als Künstler zu äußern?

Kelly: Wir haben viel Kontakt zu anderen Bands. Und auch, wenn nicht alle Bands Drogen nehmen, viele machen es. Menschen sehen zu uns auf, auch wenn wir nur Leute in einer Band sind. Wenn sie Musiker sehen, denken sie sich vielleicht „Ah, die nehmen Drogen. So schlimm kann es nicht sein“. Aber so etwas wie Oxycodon und Heroin ist nicht gut für dich. Und ja, ich denke es ist wichtig, sich zu äußern, denn unglücklicherweise sehen die Leute zu uns auf. Viele glauben, dass unsere Meinungen zählen. Zu sagen, dass eine Opioide-Krise in Amerika herrscht, vor allem im Nordosten, ist wichtig, weil es jeden betrifft, den wir kennen. Ob es Leute sind, die wir direkt kennen oder Cousins, Onkel, Tanten, Freunde, die an einer Überdosis gestorben sind. Die Leute bekommen Opioide verschrieben, aber es macht sie sofort süchtig. Wenn dann eine Tablette 50 Dollar kostet, was ist dann der nächste Schritt? Heroin. Und der Schritt danach ist eine Überdosis und der Tod. Daher haben wir das Thema auf unserem letzten Album (Anm.: 11 Short Stories of Pain & Glory) sehr ausführlich behandelt, weil das ganze Problem  von der Presse fast ignoriert wird. Wir wollten auf das Thema aufmerksam machen. Leute sterben. Da muss man etwas sagen.

NÖN: Glaubst du, dass es Sinn macht, sich auch bei einem Festival zu ernsteren Themen zu äußern? Immerhin wollen viele einfach nur Party machen.

Kelly: Es ist ein schmaler Grat, denn auf der einen Seite willst du deine Nachricht rüberbringen. Auf der anderen Seite ist es ein Festival und du willst niemanden nerven. Man kann kurz sagen, wovon ein Song handelt. Ich besuche Konzerte seit den späten achtziger Jahren. Das letzte was du willst - selbst bei einer kleinen Show -  ist, dass die Band dasitzt und zwanzig Minuten über ihr Thema des Tages spricht. Man muss da vorsichtig sein und es nicht übertreiben, weil der Hauptgrund, warum du in einer Band bist, ist, dass Menschen deine Lieder mögen. Nicht, weil du irgendeinen besonderen Einblick in irgendein Thema hast. Wir sind nur Typen, die Musik machen.

NÖN: Ihr habt oft in Österreich gespielt. Ist Österreich ein besonderes Land für euch, um Konzerte zu geben?

Kelly:  Nicht nur Österreich, auch Deutschland und die Schweiz. Aus irgendeinem Grund finden die Leute in dieser Region Europas einen besonderen Gefallen an den Dropkick Murphys. Es ist großartig! Wir haben gerade zwei Tage in Wien verbracht. Es war wunderschön. Wir lieben diese Stadt, den Stephansplatz und die Museen. Es ist fantastisch. Nach zwanzig Jahren auf Tournee ist das Letzte, was du machen willst, die ganze Zeit in einer Bar herumzusitzen und dich zu betrinken. Du willst die wunderschönen Städte sehen. Eure Städte sind, im Vergleich zu unseren, historisch. Ich liebe die Geschichte dahinter und die Architektur. Österreich ist immer besonders, unter anderem auch, weil der Vater unseres Sängers Al Lehrer an einer American School in Wien war. Seine Eltern haben hier viele Jahre gelebt, also ist es extrem besonders für ihn.

NÖN: Also ist er der Stadtführer der Band?

Kelly (lacht): Nein, nein, er kennt nur einige Regionen besser. Aber seine Liebe zu dieser Stadt hat auf uns abgefärbt. Wien ist wunderschön. Wir sind hier fast einmal im Jahr. Wir sind auch immer in demselben Hotel.

NÖN: Also wisst ihr mittlerweile auch, wo es das beste Schnitzel gibt?

Kelly: Ja absolut, wobei eigentlich meine Mutter das beste Schnitzel macht (lacht).

NÖN: Die Band gibt es seit 1996.  Du bist seit 1997 dabei. Wie ist es möglich, so ein Bandprojekt über so eine lange Zeit am Laufen zu halten?

Kelly: Nichts zu überstürzen. Setz dir einfach kleine Ziele. Nicht größenwahnsinnig werden! Wir tun, was wir können, so gut wir es können. Lass dein Ego nicht außer Kontrolle geraten. Sei kein Haufen Rockstars! Spiel deine Konzerte, sei bescheiden, sei nett zu Leuten, die uns sehen wollen, respektiere sie auch und versuche jeden Abend auf der Bühne hundert Prozent zu geben! Das ist das, was wir immer gemacht haben und was wir vorhaben auch weiterzumachen! Und trinkt viel Wasser! Das hilft! (lacht)

NÖN: Das letzte Studioalbum war das neunte. Hast du irgendetwas Besonderes für das Jubiläum geplant?

Kelly: So weit haben wir noch nicht geplant. Wir haben neue Songs und Ideen, aber so weit sind wir noch nicht, weil wir immer noch mit dem neunten Album touren. Ich weiß es nicht, es ist eigentlich eine gute Idee. Aber ich weiß nicht, was wir machen könnten, das so speziell ist, außer das beste Album zu machen, das wir können. Das hat immer Priorität.