Hip-Hop in all seinen Facetten

Joschi Haiden
Ganz trocken blieben die Frequency-Besucher am Freitag dann doch nicht: Wechselhaft war das Wetter angesagt, und genau das sollte sich am späten Nachmittag auch bewahrheiten.

Kaum waren die letzten Töne von Yungbluds Set auf der Green Stage verklungen, ging ein Wolkenbruch über das Gelände nieder, der die Musikfans unter Bäume, Abdeckungen und Zelte trieb. Lange dauerte der Spuk aber nicht.

Etwa eine halbe Stunde später konnten sich sowohl Mavi Phoenix als auch Trettmann bereits wieder über bestes Festivalwetter freuen. Sonnenschein, kaum Wind, angenehme Temperaturen. So schnell wie Socken oder T-Shirts wieder trockneten, verbesserte sich auch die Stimmung am Gelände. Wobei: Auf dem "Galactic Fortress" schien diese sowieso nie abgerissen zu sein, servierten die Pan Kee-Bois doch eine ordentliche Ladung zeitgenössischen Hip-Hop, bei dem weniger der Inhalt denn der Effekt im Vordergrund stand.

Eine Zusammenführung von beidem konnte Trettmann attestiert werden. Der deutsche Sänger, der eigentlich Stefan Richter heißt, wusste mit seinen Dancehallsounds ein jugendliches Gefühl zu erzeugen, das man einem 45-Jährigen vielleicht gar nicht zutrauen würde. Deutlich wurde bei seinem Gig außerdem, dass sich Trends zwar ändern mögen, das Geschehen vor den Bühnen aber doch sehr beständig ist. Wo andere noch zu harten Gitarrenriffs die Moshpits anzettelten, sind es nun eben verhangene Beats und eine ordentliche Bassdrum, die auch bei verträumten Tracks oft und gerne genutzt wird. Im Kreis gewirbelt wird so oder so.

Ohnehin galt am zweiten Festivaltag den unterschiedlichen Spielarten des Hip-Hops die gesamte Aufmerksamkeit. Die Proll-Variante wurde von 187 Strassenbande bedient, für feine Zwischentöne war natürlich Mavi Phoenix zu haben (die erneut unter Beweis stellte, wie ungemein zwingend und international Musik aus Österreich klingen kann), und der Fünfer Erwin & Edwin packte ganz einfach eine Portion Brassaction mit dazu. Weiterer Pluspunkt: Die Band durfte genau beim heftigen Regen indoor ihre Instrumente bedienen. "Ich habe vorher noch auf Google nachgeschaut und dachte mir nur: Jawohl!", lachte Rapper Alix über das locationtechnische Glück der Gruppe.

Aber Regen hin oder her: Jene, die bei Erwin & Edwin dabei waren, hatten sichtlich eine gute Zeit. Im ärgsten Gedränge waren beim hochgeschraubten Tempo sogar Krücken inmitten der Menge auszumachen. "Den hab ich auch gesehen, der Typ war krass", schmunzelte Alix nach dem Gig im APA-Gespräch. Und Bandkollege Simon Gramberger ergänzte: "Man kann schon sagen, dass wir eine Festivalband sind. Unsere Musik kommt uns da natürlich zugute - das funktioniert meistens. Selten brauchen die Leute noch eine zusätzliche Motivation von unserer Seite."

Dafür genügen meist ganz die Songs allein, etwa vom im Februar veröffentlichten Album "Power", dem ersten in der aktuellen Konstellation. "Alles ist sehr harmonisch und natürlich entstanden, weil wir uns alle kennen", rekapitulierte Alix. "Man vertraut aufeinander und weiß das jeweilige Ding des anderen zu schätzen. Trotzdem war es eine neue Situation, gibt es doch die Hardcorefans, die das alte Zeug lieben. Es war letztlich gar nicht so leicht, mich da mental einzufügen und dann vorne hinzustellen. Ich glaube aber, dass der Großteil es annimmt und feiert. Immerhin gibt es jetzt eine neue Dimension in dem Ganzen."

Abwechslung, Vielschichtigkeit, Durcheinander - alles traf in der ein oder anderen Form bisher auch auf das Frequency zu. Wo kurz mal die Gitarren jaulten (danke dafür an Yungblud und dessen zeitgemäße Teenage-Angst-Interpretation mit Feelgood-Factor), sich dann wieder die EDM-Chefs an den digitalen Plattentellern mit fremden Federn schmückten oder ganz einfach technoides Gestampfe für großen Jubel sorgte, merkte man schnell: Musik hat in St. Pölten in all ihren Spielarten eine Berechtigung. Für jeden was dabei, für jede etwas zu entdecken. Auch und vor allem das macht das Frequency 2019 aus.